Brigitte Oleschinski / [aus meinem Elke-Gedächtnis]

mit das Schönste, was Elke einmal zu mir gesagt hat, da schaukelten wir in einem alten DDR-Reisebus schon seit Stunden über die leeren Landstraßen zwischen Lemberg und Czernowitz, wir saßen ganz hinten auf den dünnen kratzigen Polstern und hatten abschweifend lange über Alltagskram, Gedichte, das Festival in Czernowitz, auch über ihren so scheinfreundlichen Ablehnungsbrief von der Suhrkamp-Verlegerin geredet (am Festival kann man es datieren: im September 2010), manchmal waren wir uns so nah, Elke mit ihrer noch aus der Eifel-Kindheit rheinischen Stimme und ihrer unbestechlichen Neugier auf andere Schreibweisen und Poesiebegriffe (denn ich wollte poetisch offensichtlich etwas anderes als sie in ihrer unermüdlichen Werkstatt unbotmäßiger Genauigkeit, hybrider Sprechweisen, freilaufender Lebensforschung), dann gerieten wir wieder auseinander, auch, glaube ich heute, weil ich nie auf den Gedanken kam, dass selbst sie, so unzweifelhaft eine Dichterin ganz eigener Art, hin und wieder eine unvermitteltere Ermutigung gebraucht hätte, menschlicher, zärtlicher, und sie hat es meiner Begriffsstutzigkeit doch sogar vorgemacht, eben auf dieser Reise (die wir zwischendrin mit unseren anderen Reisen verglichen, ständig reiste und reist ja der Poesiebetrieb in wechselnden Konstellationen werweißwohin), sie wurde schläfrig vom langen Schaukeln des Busses, während ich in meinem Spekulieren zu keinem Ende kam (vom eigenen Reden wird man lange nicht müde), ihr Kopf sank auf meine Schulter, erst leicht, dann schwerer, und vielleicht hat der Bus geruckelt oder ich habe überrascht gezuckt, jedenfalls sagte sie mit der sanftesten Stimme, als ich sie schon fast schlafen glaubte, auf einmal Sprich doch weiter, Täubchen –

9. Februar 2024

Hinterlasse einen Kommentar